Stichwort 'Elite'

Vertrauensverlust

Samstag, 23. April 2011 - 15:50

Auszüge aus einem luziden Beitrag in Cicero, S. 94 ff, April 2011
http://cicero.de/97.php?ress_id=6&item=6047:

Krisenbilanz der Banker: Erpressung lohnt sich doch
von Peter Schneider

Großbanken wurden mit Steuergeldern vor der Pleite gerettet. Die Bonusempfänger sind wieder im Geschäft, als wäre nichts geschehen. Der Gesetzgeber ringt ohnmächtig die Hände. Die wahren Kosten der Finanzkrise stehen in keiner Bilanz: der Vertrauensverlust der Bürger in die Elite.

… Der für Wunder immer aufgeschlossene Steuerzahler nimmt diese erleichtert zur Kenntnis und blickt gleichzeitig beklommen auf die Staatsschulden, die im selben Jahr so stark angestiegen sind wie noch nie seit Bestehen der Republik – auf insgesamt fast 2000 Milliarden.

Die Verwüstungen, die die Finanzkrise in vielen Volkswirtschaften der Welt hinterlassen hat, sind in dieser Schadensbilanz noch gar nicht enthalten. Der Gesamtschaden der globalen Finanzkrise wird nach einer Schätzung der Commerzbank aus dem Jahr 2009 auf 10,6 Billionen Dollar beziffert. Doch niemand hat bisher ausgerechnet, wie sich die Lasten zwischen den Schadensverursachern und den Geschädigten verteilen. Sicher ist, dass die riesige Mehrzahl derjenigen, die die giftige Suppe nun auslöffeln müssen, nicht beim Kochen dabei war. …

Bürger überall auf der Welt, die noch nie eine Aktie erworben, noch nie ein Zertifikat angefasst haben, müssen dafür geradestehen, dass ein paar entfesselte Spieler unter den Augen willfähriger oder blinder Politiker ihre Zukunft verwettet haben.

Und die Erfinder des Spieles, die mit Heilslehren wie ,,Märkte korrigieren sich selbst” zeitweise den Status von Genies erlangten – was wurde aus denen? Einige wenige prangerten nachträglich die Gier der eigenen Zunft an, andere verblüfften die Medien mit der Ankündigung, ein ganzes Jahr lang für ein Gehalt von einem Dollar zu arbeiten – ein Dollar im Jahr, das muss man sich leisten können! Wiederum andere, zum Beispiel der Chef der Megabank Goldman Sachs, richteten ein großes Essen für die Armen New Yorks aus, bei dem die Topbanker als Kellner dienten und anschließend sogar den Müll beseitigten. …

… Der Befund zehrt auch an den moralischen Ressourcen der westlichen Gesellschaften. Das tief Verstörende an dem ungeheuerlichen Enteignungsspiel ist die Tatsache, dass es für die ,,besten”, die überlebenden Spieler so gut wie folgenlos blieb. Kaum einer von ihnen konnte zur Verantwortung gezogen werden. Umso peinigender ist für den Bürger die Wahrnehmung der eigenen Ohnmacht und der Hilflosigkeit der demokratischen Institutionen. …

(Hervorhebungen sind so nicht im Originalartikel enthalten.)

Bei “sicher ist, dass die riesige Mehrzahl derjenigen, die die giftige Suppe nun auslöffeln müssen, nicht beim Kochen dabei war” und bei “Bürger überall auf der Welt, die noch nie eine Aktie erworben, noch nie ein Zertifikat angefasst haben,” muss ich allerdings doch an eine Mitschuld der Bürger denken: Sie überlassen faul, leichtgläubig und passiv die politische Drecksarbeit Menschen, die sie gleichzeitig verachten. Zu viele Bürger wollen sich nur bequem bedienen lassen, ohne sich selbst an der nicht immer angenehmen politischen Arbeit zu beteiligen. Die im Artikel gescholtenen “Spieler” nutzen das. Sie machen doch nur, was wir, die wir auf faustische Wirtschaftsführer vertrauen, sie machen lassen. Frechheit siegt, und den “Wirtschaftsweisen” fehlen in den Nachrichten (im Gegensatz du diesem Blog-Artikel) fast immer die Gänsefüßchen, auf denen sie herumwatscheln.

Und damit sind wihr schon bei einem Anliegen von wahlspezial.snrk.de: Wer Wahlmöglichkeiten nicht nutzt, dem werden sie genommen. Bei den heute üblichen niedrigen Wahlbeteiligungen soll sich niemand über schlechte Politik beschweren.

Aber können wir mit den “richtigen” Politikern wieder krisensicherer leben? “Der für Wunder immer aufgeschlossene Steuerzahler” (Peter Schneider hat den hübsch identifiziert) muss auch noch lernen, umzulernen: “Wunder” bedeutet nichts anderes, als die Überwindung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik. So etwas geht aber nur bei seltenen Zufällen, nicht jedoch mit Absicht. Wir (unter denen nur die Wenigsten wisen, worauf ich mit dem Hinweis auf Grenzen setzende Physik Bezug nehme) müssen Hoffnung auf Wachstum begraben. Unsere Biosphäre ist zwar ein offenes System, aber es ist nur begrenzt offen. Irgendwie spüren wir doch schon, dass wir uns dem Ende der Fahnenstange nähern. Das können auch die besten Politiker (und Physiker) nicht ändern.

Erpressung funktioniert, weil unser Wunderglaube uns erpressbar macht.

Erziehungpaket

Dienstag, 19. April 2011 - 08:18

 


 

Kinder sind unsere Hoffnungsträger. In der Berichterstattung über die “Erziehungshilfe” werden die lächerlich kleinen Beträge, mit diese Kinder beglückt werden sollen, nur selten genannt. Der Aufwand für ihre Verteilung ist enorm. Ursula von der Leyen hat etwas zum Vorzeigen, und unserer Elite braucht viele Arme. Dann bleibt ihr genug Geld für den Lebensgenuss und die dazu erforderliche Wahlfreiheit.

Da sich aber zu viele Eltern nicht auf das Erziehungspaket stürzen, läuft die Sache wohl etwas anders, als sich die Ministerin das vorgestellt hat. Oder? Denn vielleicht ist sie genialer, als wir denken. Wir brauchen die gute Tat. Sie muss gut aussehen ohne jedoch viel Geld dafür ausgeben zu müssen. Wirklich funktionieren darf sie nicht, denn gerade arme und unwissende Menschen sind Hoffnungsträger:

… in einem freien Volke, wo die Sklaverei verboten ist, [besteht] der sicherste Reichtum in einer großen Menge schwer arbeitender Armer. Denn … ohne sie [würde] es keinen Lebensgenuss geben, und kein Erzeugnis irgendeines Landes hätte mehr einen Wert. Um die Gesellschaft glücklich und die Leute selbst unter den niedrigsten Verhältnissen zufrieden zu machen, ist es notwendig, dass ein beträchtlicher Teil davon sowohl unwissend wie auch arm sei. Kenntnisse vergrößern und vervielfachen unsere Bedürfnisse, und je weniger Dinge ein Mensch begehrt, um so leichter kann er zufriedengestellt werden.

… in a free Nation where Slaves are not allow’d of, the surest Wealth consists in a Multitude of laborious Poor; for besides that they are the never-failing Nursery of Fleets and Armies, without them there could be no Enjoyment, and no Product of any Country could be valuable. To make the Society happy and People easy under the meanest Circumstances, it is requisite that great Numbers of them should be Ignorant as well as Poor. Knowledge both enlarges and multiplies our Desires, and the fewer things a Man wishes for, the more easily his Necessities may be supply’d.

Bernard de Mandeville, 1714

Noch eine persönliche Anmerkung: Ich gehe vielleicht alle 3 Monate zum Frisör (Winter: 12mm, Sommer: 6mm). Kürzlich erzählte mir die Frisörin, dass ein “Schlipsträger” aus dem benachbarten Industriepark zu ihr sagte, dass er für ihr Gehalt morgens nicht einmal aufstehen würde. Ich glaube, dass wir inzwischen wirklich ganz andere Erziehungspakete nötig haben, als das der Ursula von der Leyen.