Stichwort 'Teamviewer'

Bürgerlinux

Donnerstag, 17. Oktober 2013 - 22:41

Ab April 2014 hört der Support für Windows XP auf. Was wählen wir nun? Wie erspare ich meiner Mutter (bald 90 und doch PC-erfahren) einen Umstieg auf die unnötig grafisch aufgebrezelten Bedienoberflächen der neuen Windows-Versionen? Unter Anderen stehen hier einige LTS (Long Term Support) Distributionen des Linux-Betriebssystems zur Wahl:

  • Ubuntu 12.04: Die Stadt München empfiehlt ihren Bürgern Ubuntu 12.04 LTS (Long Term Support). Dieses Betriebssystem wird zusammen mit seinen Anwendungen bis April 2017 gepflegt. Die Stadtverwaltung verwendet es selbst. Download: Bei etwas ältere PCs kann man die Version mit 32 Bit wählen oder für neuere PCs die Version mit 64 Bit (z.B. für PCs mit Windows 8 und/oder UEFI firmware). Die Bedienoberfläche von Ubuntu mag ich aber nicht so sehr. Viele an Ubuntu angelehnte Distibutionen (z.B. LXLE und Mint) werden ihre Supportpolitik wohl am Long Term Support von Ubuntu ausrichten.
  • LXLE 12.04: Alternativ zum Original-Ubuntu gibt es z.B. LXLE, ein “aufgemotztes” Lubuntu 12.04 mit einer sauberen Bedienoberfläche, die ehemalige XP-Benutzer nicht verwirrt.
  • Linux Mint 13: Ebenfalls bis April 2017 gepflegt wird Linux Mint 13. Am klarsten ist die Version mit der “Mate”-Bedienoberfläche. (Bei den kommenden Versionen wird viel an der schicken “Cinnamon”-Bedienoberfläche gearbeitet, aber die interessiert mich derzeit noch nicht so sehr. Etwa im Mai 2014 soll Linux Mint 17 (“Qiana”) als LTS-Distribution verfügbar sein.) Für die Benutzerverzeichnisse schalte ich bei der Einrichtung des ersten Benutzers (also mit Administrator-Rechten) die Verschüsselung ein. Dann sind z.B. Zugangdaten geschützt, sollte der Rechner mal geklaut werden.
  • Debian: Die russische Distribution Point Linux baut auf dem stabilen Zweig von Debian auf und verwendet auch die “Mate”-Bedienoberfläche. Ganz spartanisch kommt das britische ChrunchBang Linux mit “Openbox” daher.
  • Fedora: Das Fermi National Accelerator Laboratory und die European Organization for Nuclear Research (CERN) bauen ihr Scientific Linux auf Fedora Linux auf. Das habe ich schon lange nicht mehr verwendet, aber der Ruf ist einwandfrei. Scientific Linux bietet wohl die längsten Unterstützungszeiten. Die Serie 6 wird zum Beispiel bis 2020 gepflegt.

Ich selbst verwende Linux Mint. Die aktuellen Versionen sind solide und stabil; einen langfristigen Support (wie für Mint 13) brauche ich jetzt (noch) nicht. Zuvor hatte ich übrigens einige Jahre lang mit Begeisterung Archlinux benutzt (hier bietet sich ArchBang oder Antergos für den Einstieg an), aber wenn man nur sicher arbeiten, nicht mit Linux experimentieren und auch mal ein paar Wochen lang keine Aktualisierungen vornehmen will, dann lässt man lieber die Finger davon.

Nachteile: Ich verwende seit vielen Jahren Linux privat und Windows dienstlich. Für mich ist der einzige Nachteil von Linux, dass iPhone und iPad nicht unterstützt werden. Privat werde ich diese Apple-Produkte also nicht verwenden.

 
Linux für Senioren ist heute durchaus schon ein Thema. Dabei geht es nicht um Lösungen für “Beschränkte”, sondern Senioren (bald ist es auch bei mir so weit) haben im Lauf ihres Lebens oft einen guten Sinn für das Wesentliche entwickelt. Was sie dann als Lösungen auswählen, ist deswegen auch für all die Leute interessant, die hauptsächlich mit dem Computer sicher arbeiten und nicht herumspielen wollen:

 
Anwendungen für MS Windows und Linux:

  • VideoLAN: VLC ist ein Medien-Abspieler.
  • Email-Bearbeitung: Unter Mail Utilities bei mozilla.org gibt es viele Links zu Programmen, mit denen auch proprietäre Mail-Dateiformate bearbeitet werden können.
  • Office: Zu bekannteren Office-Suiten ist SoftMaker eine gute kommerzielle Alternative aus Nürnberg.
  • Truecrypt (2014-05-29 Warnung!): Mit Truecrypt kann man z.B. eine große Datei (bei mir reichen 2GB mit NTFS-Partitionierung) zur Abspeicherung persönliche Dokumente einrichten. Diese Datei kann man dann als Laufwerk installieren. Kopien davon habe ich auf einem Memorystick. Es gibt allerdings auch Kritik an Truecrypt. Deswegen lohnt sich auch ein Blick auf GnuPG.
        Nachtrag 2014-05-11: Der Sourcecode von Truecrypt ist in Ordnung, es gibt also keine Hintertürchen. Das Problem ist, dass Laien den Sourcecode kaum testen werden. (Eine weitere mögliche Schwachstelle wäre der Compiler). Wer mit Truecrypt sicherer umgehen will, kann mit einem kleinen Programm und einem Skript auf der Kommandozeilenebene arbeiten. Aber auch das ist natürlich nicht so einfach wie die Bedienung per Mausklickerei.
  • GnuPG: Dieses Verschlüsselungsprogramm gibt es für verschiedene Betriebssysteme. Für Windows empfehle ich Gpg4win. Alternative: GnuPG (evtl. bei MS Windows zusätzlich mit iconv.dll, wenn nicht bereits installiert), und zwar auf der Kommandozeile bedient. Aber das ist dann wohl für meine Eltern doch eine zu weit gehende Zumutung. (Für Anfänger, aber leider nur auf Englisch, gibt Peter Loshin in Simple Steps to Data Encryption eine ganz passable Einführung.)
  • Teamviewer: Hier geht es um die Fernsteuerung und Fernwartung eines Computers. Wer seinen alten Eltern aus der Ferne bei Computerproblemen helfen will, kann das mit dem Teamviewer machen. Den verwende ich jetzt schon. Vielleicht lasse ich mir hier aber noch etwas anderes einfallen. Es gibt Alternativen (s. Wikipedia und alternativeto.net), aber eigentlich ist der Computer meiner Mutter für die NSA ziemlich uninteressant.

Ich gehe ohnehin davon aus, dass Anwendungen wie Truecrypt und Teamviewer “Hintertüren” haben und damit für “Dienste” ausspähfreundlich sind. Diese Leute werden zwar in meiner Familie keine gefährlichen Daten entdecken, aber könnten z.B. für operative Zwecke die Identitäten harmloser Bürger verwenden. Das macht mir eher Sorgen als ein Spion, der sich in meinem harmlosen Privatleben umsieht. Auch kann es selbst in rechtsstaatlich kontrollierten Geheimdiensten immer schwarze Schafe und damit Beschaffungskriminalität geben. Das kommt dann noch zur Bedrohung durch hauptberuflich Kriminelle dazu. Gerade für ältere Menschen wird es immer schwieriger werden, hier durchzublicken und Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Hinweis zu Programmen wie Truecrypt und Teamviewer: Unter Linux richte ich mit kuser Gruppen (z.B. truecrypt und teamviewer) ein, denen ich dann die User zuweise, die mit den Programmen arbeiten sollen. In /etc/sudoers muss dann z.B. noch eingetragen werden:%truecrypt ALL=(ALL)NOPASSWD: /usr/bin/truecrypt
%teamviewer ALL=(ALL)NOPASSWD: /usr/bin/teamviewer