Archiv für April, 2011

Umverteilung verbessert die Gesundheit

Samstag, 30. April 2011 - 14:26

http://www.forum-gesundheitspolitik.de/artikel/artikel.pl?artikel=1426 (2008):

Vergleich der Sozialpolitik von 18 OECD-Ländern

Welche Bedeutung haben Prinzipien des Wohlfahrtsstaats für die Bevölkerungsgesundheit? Dies ist das Thema einer kürzlich im LANCET veröffentlichten Studie. Die aus Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen stammenden Wissenschaftler untersuchten dafür die Familienpolitik der Jahre 1950 bis 2000 und die Rentenpolitik von 1930 bis 2000 in 18 OECD-Ländern. Sie analysierten das Ausmaß der materiellen Umverteilung an Familien und an alte Menschen.

Die Sozialpolitik wurde mit Hilfe des Social Citizenship Indicator Program analysiert, einer Datenbank, welche anhand von Sozialindikatoren die Sozialpolitik von 18 Ländern seit 1930 abbildet. …

Fern der Gleichmacherei

Donnerstag, 28. April 2011 - 21:38

Anbei ein paar Ungleichverteilungsberechnungen für Löhne und Einkommen. Das Problem dabei ist die Vergleichbarkeit, wenn die Struktur der Statistik umgestellt wird. Aber Eines kann man klar sehen: Eine wichtige Nachricht für empörte Reiche, die sich über die Umverteilung durch Steuerprogression zu Armen ärgern, ist, dass die Brutto-Ungleichverteilung und Netto-Ungleichverteilung nicht sehr weit auseinanderliegen. Zumindest diesbezüglich gibt es also wirklich keinen Grund zur Aufregung. Die Umverteilung durch Steuerprogression ist eigentlich lächerlich klein. Darum sind wir fern jeder “Gleichmacherei”. Falls Sie also viel Steuern zahlen, dann seien Sie ganz locker und vergeuden Sie besser keine Zeit damit, auf irgendwelche Leute neidisch zu sein, die ein bisschen was von Ihrem Geld bekommen. Es bleubt noch genug für Sie selbst.

 
16 Einkommensgruppen:

 
22 Einkommensgruppen:

 
Den Rechner für die Ungleichheitskenzahlen hatte ich im Jahr 2008 implementiert. Es gibt auch Formeln dazu. Der “Neidfaktor” war als kleiner Scherz gedacht. Aber vielleicht ist da doch etwas dran. Die Site umverteilung.de würde ich heute anders machen, aber völlig daneben ist sie nun auch wieder nicht. Die Site blog.umverteilung.de ist aber zur Zeit inaktiv.

Im Statistischen Jahrbuch 2010 gibt es unter “23.8.1 Einkommensteuerpflichtige 2005 nach Größenklassen des Gesamtbetrags der Einkünfte” eine Tabelle für 2005. Die Darstellung ist wieder anders als davor. Wahrscheinlich ist das eine Verbesserung. Mal sehen, ob die Struktur in Zukunft so bleibt.

2013-12-21: Einige Links funktionieren hier nicht mehr. Siehe Daten zum Jahr 2007.

Grenzen der finanziellen Vorsorge

Dienstag, 26. April 2011 - 00:33

Bei all dem Eigenverantwortlichkeitsgedöns dieser Tage kommt mir immer wieder der Gedanke, was mir meine eigenverantwortliche Alterssicherung nützt, wenn ich sie irgendwann einmal nicht mehr eigenverantwortlich kontrollieren können sollte.

Der fürsorgende Staat und andere fürsorgende Einrichtungen ermöglichten uns viel der Flexibilität, die Grundlage unseres Wirtschaftswachstums war. Inzwischen wird Familie wohl wieder wichtiger, wenn sie helfen kann.

Und irgendwann hilft auch alle finanzielle und materielle Vorsorge nichts mehr. Aber so darf das nicht passieren: Die Selbsttötung des Ehepaars von Brauchitsch ging an uns doch erstaunlich still vorbei. Ich kenne die genauen Umstände ihrer Entscheidung nicht und werde mir hier sicherlich kein Urteil darüber erlauben. Aber dieses Ereignis müsste uns doch schon ein bisschen nachdenklicher machen.

Das merken wir uns. Finanzielle Vorsorge und Eigenverantwortung reichen nicht. Irgendwann ist die Wahlfreiheit zwischen Tod oder Leben zu Ende. Aber davor können bessere Wahlen getroffen werden, als das, was wir zur Zeit mit uns und unserer Gesellschaft anrichten.

Rolf Rosenbrock zur Gesundheitspolitik

Montag, 25. April 2011 - 22:46

http://www.youtube.com/watch?v=-MLhcsKI5sY
Gastrede von Prof. Rolf Rosenbrock zur Gesundheitspolitik — BDK Freiburg, 21.11.2010

Finanztransaktionssteuer als Mess-Sensor

Montag, 25. April 2011 - 21:22

http://www.insm-lexikon.de/tobin-steuer.html

Von Globalisierungsgegnern, vor allem von ATTAC, wird immer wieder die Einführung einer so genannten Tobin-Steuer gefordert, um “Sand ins Getriebe” der internationalen Finanzmärkte zustreuen. …

(Weblinks wurden nachträglich in das Zitat eingefügt.)

Richtig? Falsch? Nein, es ist schlimmer: Das Argument der “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (INSM) ist schlicht und einfach unredlich. James Tobin war kein Globalisierungsgegner. Außerdem mißbraucht die INSM den Begriff “Lexikon”, um auf Ideologien basierende Behauptungen als Tatsachen zu verkaufen.

Die Tobin-Steuer bzw. Finanztransaktionssteuer kann man auf einen sehr niedrigen Wert setzen, also so niedrig, dass Steuervermeidungsstrategien teurer werden, als die Steuervermeidung selbst. Ich sehe das als Ingenieur: Eine Finanztransaktionssteuer kann wie ein Meßwiderstand wirken. Man baut ihn in Stromleitungen ein, um aus dem daran gemessenen kleinen Spannungsabfall auf den durch die Leitung fließenden Strom zu schließen. Ist nur Strommessung das Ziel, dann geht mit guter Messtechnik immer nur ein vernachlässigbar so kleiner Teil des über die Leitung transportierten Stromes verloren, dass der Messartefakt vernachlässigbar ist.

Eine zu hohe Transaktionssteuer liefert willkommene Ausreden, mit denen die Gegner der Finanztransaktionssteuer dann unredlich argumentieren können. Wie berechtigt die Forderungen von ATTAC auch immer sein mögen, praktisch ließe sich eine Finanztransaktionssteuer einfacher realisieren, wenn die “Verlustleistung” nicht mehr als Argument gegen die Einführung dieser Steuer verwendet werden kann.

Noch eine Anmerkung zum Begriff Globalisierungsgegner: Bei genauem Hinsehen sind diese Leute oft Globalisierungsbefürworter, denn ihnen missfallen die Inkonsequenzen in der real globalisierten Wirtschaft. Ihnen geht die Globalisierung nicht weit genug: Die Akteure im Markt können global nicht streng genug in die Verantwortung genommen werden. Und Geld reist viel leichter, als Waren und Menschen. Auch wirken finanzielle und politische Einflussnahme nebeneinander und auch kompensatorisch gegeneinander. Aber die finanzielle Einflussnahme hat viel mehr globale Freiheit, als die demokratische Einflussnahme der Wähler. Und auch die ist nur einem Teil der Menschen erlaubt.

Analyse rechtsradikaler Sprachspiele und Denkmuster

Samstag, 23. April 2011 - 23:43

Interessante Doktorarbeit von Michaela Kronenberg, 2001-08-25:
http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2002/808/pdf/d020108.pdf

Networking

Samstag, 23. April 2011 - 17:31

Das Stromnetz muss ausgebaut werden. Die bisherigen “Energieproduzenten” (physikalisch wäre “Energieumwandler” der bessere Begriff) verlieren ihre Oligopolstellung an viele kleinere “Produzenten”. Das deswegen von ihnen wohl auch angepeilte neue Geschäftsmodell gab es wohl schon im Mittelalter oder sogar früher: Wegezoll. Dazu muss man Wege besitzen. Heute sind das Hochspannungsleitungen, die sicherlich nicht billig sind, deren Preis sich aber nicht in einem wirklich freien Markt bildet. Bezahlen müssen die vorgesehenen Nutzer dieser Wege jetzt schon den Bau der Wege, damit sie später wieder bezahlen können.

Verseuchte Gehirne

Samstag, 23. April 2011 - 16:12

Das Gehirn des modernen Menschen ist ökonomisch verseucht.

Herrmann Broch, Massenwahntheorie. 1939 bis 1948. 3. Teil, Kapitel 5.8. Totalwirtschaft und Totalversklavung

Vertrauensverlust

Samstag, 23. April 2011 - 15:50

Auszüge aus einem luziden Beitrag in Cicero, S. 94 ff, April 2011
http://cicero.de/97.php?ress_id=6&item=6047:

Krisenbilanz der Banker: Erpressung lohnt sich doch
von Peter Schneider

Großbanken wurden mit Steuergeldern vor der Pleite gerettet. Die Bonusempfänger sind wieder im Geschäft, als wäre nichts geschehen. Der Gesetzgeber ringt ohnmächtig die Hände. Die wahren Kosten der Finanzkrise stehen in keiner Bilanz: der Vertrauensverlust der Bürger in die Elite.

… Der für Wunder immer aufgeschlossene Steuerzahler nimmt diese erleichtert zur Kenntnis und blickt gleichzeitig beklommen auf die Staatsschulden, die im selben Jahr so stark angestiegen sind wie noch nie seit Bestehen der Republik – auf insgesamt fast 2000 Milliarden.

Die Verwüstungen, die die Finanzkrise in vielen Volkswirtschaften der Welt hinterlassen hat, sind in dieser Schadensbilanz noch gar nicht enthalten. Der Gesamtschaden der globalen Finanzkrise wird nach einer Schätzung der Commerzbank aus dem Jahr 2009 auf 10,6 Billionen Dollar beziffert. Doch niemand hat bisher ausgerechnet, wie sich die Lasten zwischen den Schadensverursachern und den Geschädigten verteilen. Sicher ist, dass die riesige Mehrzahl derjenigen, die die giftige Suppe nun auslöffeln müssen, nicht beim Kochen dabei war. …

Bürger überall auf der Welt, die noch nie eine Aktie erworben, noch nie ein Zertifikat angefasst haben, müssen dafür geradestehen, dass ein paar entfesselte Spieler unter den Augen willfähriger oder blinder Politiker ihre Zukunft verwettet haben.

Und die Erfinder des Spieles, die mit Heilslehren wie ,,Märkte korrigieren sich selbst” zeitweise den Status von Genies erlangten – was wurde aus denen? Einige wenige prangerten nachträglich die Gier der eigenen Zunft an, andere verblüfften die Medien mit der Ankündigung, ein ganzes Jahr lang für ein Gehalt von einem Dollar zu arbeiten – ein Dollar im Jahr, das muss man sich leisten können! Wiederum andere, zum Beispiel der Chef der Megabank Goldman Sachs, richteten ein großes Essen für die Armen New Yorks aus, bei dem die Topbanker als Kellner dienten und anschließend sogar den Müll beseitigten. …

… Der Befund zehrt auch an den moralischen Ressourcen der westlichen Gesellschaften. Das tief Verstörende an dem ungeheuerlichen Enteignungsspiel ist die Tatsache, dass es für die ,,besten”, die überlebenden Spieler so gut wie folgenlos blieb. Kaum einer von ihnen konnte zur Verantwortung gezogen werden. Umso peinigender ist für den Bürger die Wahrnehmung der eigenen Ohnmacht und der Hilflosigkeit der demokratischen Institutionen. …

(Hervorhebungen sind so nicht im Originalartikel enthalten.)

Bei “sicher ist, dass die riesige Mehrzahl derjenigen, die die giftige Suppe nun auslöffeln müssen, nicht beim Kochen dabei war” und bei “Bürger überall auf der Welt, die noch nie eine Aktie erworben, noch nie ein Zertifikat angefasst haben,” muss ich allerdings doch an eine Mitschuld der Bürger denken: Sie überlassen faul, leichtgläubig und passiv die politische Drecksarbeit Menschen, die sie gleichzeitig verachten. Zu viele Bürger wollen sich nur bequem bedienen lassen, ohne sich selbst an der nicht immer angenehmen politischen Arbeit zu beteiligen. Die im Artikel gescholtenen “Spieler” nutzen das. Sie machen doch nur, was wir, die wir auf faustische Wirtschaftsführer vertrauen, sie machen lassen. Frechheit siegt, und den “Wirtschaftsweisen” fehlen in den Nachrichten (im Gegensatz du diesem Blog-Artikel) fast immer die Gänsefüßchen, auf denen sie herumwatscheln.

Und damit sind wihr schon bei einem Anliegen von wahlspezial.snrk.de: Wer Wahlmöglichkeiten nicht nutzt, dem werden sie genommen. Bei den heute üblichen niedrigen Wahlbeteiligungen soll sich niemand über schlechte Politik beschweren.

Aber können wir mit den “richtigen” Politikern wieder krisensicherer leben? “Der für Wunder immer aufgeschlossene Steuerzahler” (Peter Schneider hat den hübsch identifiziert) muss auch noch lernen, umzulernen: “Wunder” bedeutet nichts anderes, als die Überwindung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik. So etwas geht aber nur bei seltenen Zufällen, nicht jedoch mit Absicht. Wir (unter denen nur die Wenigsten wisen, worauf ich mit dem Hinweis auf Grenzen setzende Physik Bezug nehme) müssen Hoffnung auf Wachstum begraben. Unsere Biosphäre ist zwar ein offenes System, aber es ist nur begrenzt offen. Irgendwie spüren wir doch schon, dass wir uns dem Ende der Fahnenstange nähern. Das können auch die besten Politiker (und Physiker) nicht ändern.

Erpressung funktioniert, weil unser Wunderglaube uns erpressbar macht.

Bildanalyse

Samstag, 23. April 2011 - 01:47

http://www.bild-studie.de/material-zur-studie/pressemitteilung_der_obs.html:

Frankfurt, 2011-04-06

Drucksache “Bild” – Fehlanzeige Journalismus
Studie der Otto Brenner Stiftung analysiert Machart und Erfolg der “Bild”-Zeitung

“Bild” ist ein Boulevardmedium, das täglich großes Geschrei und viel Gedöns um sich selbst macht, aber kaum Journalismus. Deshalb kann derjenige, der “Bild” nur anhand journalistischer Kriterien untersucht, weder ihre Machart verstehen, noch ihren Erfolg erklären.

An die Stelle des Journalismus, der mit seiner Arbeit der Information, der Orientierung und Kommentierung von gesellschaftlich Bedeutsamen sein Publikum erreichen will, setzt “Bild” Methoden der Werbung, der Unterhaltung, der Kampagnenkommunikation und des Marketings. So lautet das zentrale Ergebnis einer neuen “Bild”-Studie, die bei der Otto Brenner Stiftung erschienen ist. “Bild” folgt einer Logik, die darauf zielt, ein Catch-all-Medium herzustellen, das möglichst viel Publikum fängt und fesselt – von diesem Ziel leiten sich Themenwahl und Machart ab. Dieses Leitbild verfolgen Verlag, Herausgeber und Chefredaktion mit aller Konsequenz. Das fängt bei dem immer noch niedrigen Preis an, geht mit einem ausgefeilten Vertriebssystem weiter und gipfelt darin, dass Themen, Sprache, Bilder und Layout rücksichtslos als Stimulationsmittel und Reizwerte eingesetzt werden.